Es gehört für die meisten Waldorfschulen zur Tradition, dass eine Gruppe von spielfreudigen Menschen aus der Gemeinschaft die Oberuferer Weihnachtsspiele aufführt. Die Spiele wurden etwa 1850 von Karl Julius Schröer entdeckt und veröffentlicht. Benannt sind sie nach dem Entdeckungsort „Oberufer“, einem Dorf an der gleichnamigen Donaufurt in der Slowakai. Der Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner gab eine leicht veränderte Fassung dieser Spiele heraus. Die Lehrer der ersten Waldorfschule in Stuttgart führten die Präsentation für die Schüler ein.
„Ir liabn meini singa trets zsam in a scheibn, ma wölln uns die weil mit singa vertreibn“, so fordert der Vorsänger seine „Kumpanei“ genannte Truppe auf. Die Schauspieler der Augsburger Waldorfschule halten sich an den Originaltext, der sehr volksnah geschrieben und in einem donauschwäbischen Dialekte in Reimen abgefasst ist. Es wird dabei viel gesungen, allein oder in der Gruppe. Die ernsthafte Handlung ist zum Teil mit derbem Humor durchsetzt.
Dem Spiel vorangestellt ist eine Huldigung an die Obrigkeiten und Autoritäten, an das Publikum und, in scherzhafter Form, auch an die notwendigen Requisiten, wie zum Beispiel den Hut des Pianisten. Dergleichen Huldigungen waren im Mittelalter bei fahrenden Schaustellern ebenso wie bei den Zünften, die solche Spiele aufführten, wohl nicht unüblich.
Schlichte Kostüme, eine auf das symbolische reduzierte Bühne, dazu eine dramatische Bühnenbeleuchtung und souverän und eindrücklich spielende Schauspieler machten die Aufführung zu einer sehr bewegenden Einstimmung auf Weihnachten.
Monat: Dezember 2022
Impressionen vom Adventsbasar
Endlich wieder ein richtiger Basar! Die ganze Schulgemeinschaft hat sich gefreut, dass es wieder möglich war, zusammen zu feiern und gemeinsam in den Advent zu starten. Fotos: Sascha Kühmstedt
Politisch bis romantisch: das Adventskonzert
Die Augsburger Waldorfschule kann sich glücklich schätzen, so gute Musiklehrer*innen zu haben. Das Adventskonzert war wieder einmal der Beweis, das es gelingen kann, Schüler*innen zu gesanglichen und instrumentalen Höchstleistungen zu bringen. Selbst die sentimentalsten Ohrwürmer wurden von den Chören sanft, locker und harmonisch dargeboten. Gefühle ja, Kitsch nein. Der zweite Teil des Adventskonzert, den die Bläser mit Leo Haßlers „Intrada IV“ stimmungsvoll einleiteten, begann mit drei Liedern, deren politische Aussagen die aktuelle Weltlage wiederspiegelten. „Happy Xmas – War is over“ von John Lennon und Yoko Ono verlieh der Sehnsucht nach Frieden eine Stimme. Das ukrainische Volkslied „Schtschedryk Schtschedryk“ war ein Gruß an alle anwesenden Schüler*innen und Eltern, die in Augsburg Zuflucht gefunden haben. Mit „Bella Ciao“ erinnerte der Oberstufenchor an Auflehnung und Revolte – auch als Gruß an die iranischen Frauen, die in den letzten Monaten zu diesem Lied ihre Kopftücher abgenommen und zu Revolutionsfahnen gemacht hatten.
Die Bläser der Oberstufe spielten gekonnt „Scene Champetre de Noel“ von Rudi Spring und ließen in unterschiedlichen Duo- und Gruppensolis auch komplexe Rhythmus- und Dynamikteile des Werkes erklingen. Großartig!
Vivaldis Konzert a-moll war ein musikalischer Übergang zum dramatischen Ruf „Look at the world“ von John Rutter, mit dem sich Chor und Orchester der Oberstufe von ihrem Publikum in den Advent verabschiedeten. Auch hier ein politisches Signal: Seid behutsam und zärtlich zu unserer Erde, wir haben nur die eine.
Danke an alle Beteiligten auf und hinter der Bühne für einen wunderbaren Abend.
Text und Fotos: Angelika Lonnemann