Der lange Weg – aus der Festschrift zur Einweihung 1981

Der 2018 verstorbene Frithjof Finkbeiner war Mitgründer der Freien Waldorfschule Augsburg. Er schrieb 1981 zur Einweihung der Schule folgenden Text für die Festschrift.

Der lange Weg einer Schulinitiative

1956 bis 1959: Im Frühjahr 1956 wollten einige Eltern sowie Freunde der Anthroposophischen Gesellschaft auch für Augsburg eine Schule, in der Kinder im Geiste der Waldorf-Pädagogik unterrichtet werden, wie sie Rudolf Steiner 1919 in Stuttgart verwirklicht hatte. Kaum 20 Menschen gründeten dazu am 1.7.1956 den „Waldorf-Kreis Augsburg“ Dann entwickelte sich ein reges Veranstaltungsleben mit Vorträgen, Arbeitskreisen, Wochenendseminaren, künstlerischen Kursen usw. Das Interesse war erstaunlich, ebenso das Echo in der Öffentlichkeit. Alles ließ sich gut an. Nur: Es gab auf absehbare Zeit keine ausgebildeten Waldorf-Lehrer. Schweren Herzens musste hauptsächlich deshalb nach 3 Jahren dieser erste Anlauf abgebrochen werden. Es war noch nicht soweit. 

1969 bis 1973: Ein Jahrzehnt verging, die Welt hatte sich verändert. Dem unglaublichen Wirtschaftswunder folgten Studentenunruhen, kritisch wurde der Wohlstandsbetrieb hinterfragt. Die Schulnot mancher Kinder war groß. Am 5.3.1969 gründeten 24 alte und neue Freunde den Waldorf-Kreis Augsburg aufs Neue. Diesmal sollte zuerst der Waldorf-Kindergarten entstehen, dem organisch die Waldorfschule folgen konnte. Wieder entfaltete sich ein reges Vortragsleben. Der erste Versuch, 1971 im Westen der Stadt einen schlichten Kindergarten zu erstellen, misslang. Dafür fand sich ein Jahr später mit Hilfe unserer Stadtväter am Lechufer im Osten an der Euler-Chelpin-Straße ein passendes Grundstück mir rund 2.500 qm. Darauf wurde 1972/73 von Architekt Walter Beck, München, unser schöner Waldorf-Kindergarten errichtet. Mit Begeisterung zogen unsere Kinder aus einem Provisorium in den Neubau um, wo seither in 4 Gruppen bis 100 Kinder betreut werden. 

1973 bis 1976: Das nächste Ziel, die Augsburger Waldorfschule, wurde mit Schwung angegangen. Neben viel Öffentlichkeitsarbeit (u. a. ein großes Wohltätigkeitsfest in der Sporthalle), bereitete unser Patenonkel, Herr Christian Brummer aus München, in zwei Winterhalbjahren Staatslehrer in seminaristischen Übungen auf die Waldorf-Pädagogik vor. Ende 1976 war es dann beinahe soweit: Erfahrene Gründungslehrer schienen in Aussicht, das Nachbargrundstück stand zur Verfügung oder gar ein brauchbares Schulgebäude, die Eltern waren bereit. Da zerschlug sich binnen einer Woche fast alles. Wir waren noch nicht reif, wieder musste fast von vorne begonnen werden.

1977 bis 1981: Ende 1977 bildete sich aus kleinen Anfängen eine kräftige Schulinitiative der Eltern, die „ihre Schule“ wollten. Ein Gründungslehrer, Herr Günter Luft aus Heidenheim, sagte zu, „alte“ und neue Lehrer stießen zum Kollegium. Der Waldorf-Kreis wurde am 23.3.1979 in den Waldorf-Schulverein Augsburg umbenannt. Die Suche nach der endgültigen Hülle der Schule begann. Aber die finanziellen Voraussetzungen in Bayern waren nicht gut. Also blieben wohl nur ein altes Schulgebäude oder ein sonstiger Umbau oder einfache Baracken für den Anfang, bis wir nach zweimal erfolgreich abgelegtem Abitur Zuschüsse vom Staat erwarten durften. Da halfen wieder einmal unser Stadtoberhaupt, Herr Oberbürgermeister Hans Breuer, und unsere Stadtväter, sie boten uns eine einmalige Chance: Wir erhielten im Nordosten der Stadt an der Dr.-Schmelzing-Straße das Grundstück mit 26.000 qm auf Erbpacht für 80 Jahre und – zinslos! Eine ganz besondere Hilfe, ohne die wir nicht hätten bauen können. Nun ging alles Schlag auf Schlag: Die Wahl des Architekten, Herrn Winfried Reindl aus Pforzheim, die Frage ob Fertigbau oder Massivbau, die Bauplanung, die Entscheidung über die einzelnen Baustufen, die Hypothekenbestellung, die Verhandlung mit den Behörden, die Suche nach weiteren Geldquellen und der Baubeginn. Am 7.3.1981 fing der Erdaushub an, am 4.4. war Grundsteinlegung, am 3.6. die Hebauffeier und dank erheblicher Elternleistungen konnten wir fristgerecht am 15.9.1981 mit den ersten 5 Klassen den Schulbetrieb aufnehmen. Denn auch das schwierige Lehrerproblem war gelöst. Herr Luft hatte zwar inzwischen aufgrund Genehmigungsfragen seine Aufgabe an Frau Rosemarie Jänchen aus München übergeben, auch die Suche nach den 5 Klasslehrern war aufregend genug, aber wir haben jetzt unser Gründungskollegium und auch für die kommenden Jahre sind Lehrer in Aussicht. 

Frithjof Finkbeiner 1981,
Vorsitzender des Waldorf-Schulverein Augsburg

Gründungskollegium:
Annemarie Ackerschott, Klassenlehrerin
Barbara Faßold, Klassenlehrerin
Claudia Fritsche, Klassenlehrerin
Rosemarie Jänchen, Gründungslehrerin
Rotraud Just, Handarbeit
Uwe Kliemt, Klassenlehrer
Wolf-Dietrich Lang, Klassenlehrer
Isabelle Madeleyn, Eurythmie
Elfriede Rhode, Eurythmie