Zwischen Grabrede und Weihnachtsbäckerei

Luftig ging es los – das Konzert zur Weihnachtszeit in der Freien Waldorfschule. Die Bläser der Mittelstufe spielten den fröhlichen beschwingten „Marche des Parachutistes belges“ von Pierre Leemans und stimmten die Zuschauer ein auf einen Abend voller musikalischer Gegensätze. Gospels, Pophymnen, Vivaldi, Hanns Eisler und sogar der ebenso beliebte wie verhasste Ohrwurm „In der Weihnachtsbäckerei“ erklangen im Festsaal der Schule, wo viele Gäste stehen mussten, weil sie keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten.
Die vierte Klasse, die bereits ein beeindruckendes Orchester ist, spielte das traurig-getragene „Nun hüllt mit Nebelschleiern“ von Wolfgang Senft. Peter Petrells „Trumpet Minuet“ klang festlich und schön. Die „Star Seeker Variations“ von Sheila Nelson begannen und endeten so zart, als würde eine winzige Fee mit ihrem Flügel schlagen. Das Publikum war so diszipliniert, dass man dieses feine Geräusch gut hören konnte.
Die Streicher der Mittelstufe beeindruckten mit drei virtuosen Stücken, die die für den erkrankten Dirigenten Lukas Gayler eingesprungene Hiltrud Kamolz gewohnt souverän meisterte – inklusive eines im 7/8tel-Takt gespielten Stücks Programmmusik, dem „Mückentanz“ von Andrea Holzer-Rhomberg. Hier konnte man die nervende Mücke deutlich hören!
Der Chor der Mittelstufe hatte erstmalig nicht nur mit Manuel Wiencke, sondern auch mit der neuen Chorleiterin Sigrid Pröbstl, geprobt. Klangstark und beschwingt sang der Chor das Volkslied „Es saß ein klein wild Vögelein“, die Pophymne „Mad World“ sowie „Swing Low, Sweet Chariot“ und das Wiegenlied „All Day, All Night“.
In der Pause konnten sich die Gäste mit süßen Waffeln, gebacken von der zehnten Klasse, oder salziger Pizza, die die achte Klasse vorbereitet hatte, stärken. Im Werkhof zeigten auch die (wenigen) Schüler der Oberstufe, die nicht am Musikkonzept teilnehmen wollten, ihr beeindruckendes Schmieden mit Werklehrer Bernhard Volk.

Nach der Pause begann das Konzert mit einer kleinen Verzögerung – einer der Trompetensolisten war wegen eines Staus nicht rechtzeitig da. Nach seiner Ankunft ging das Konzert mit den Schülern der Oberstufe weiter. Die Bläser begannen mit den „Scenes from the Louvre“ von Norman dello Joio. In dessen musikalischem Porträt der berühmten Galerie wird der imposante Eingang mit einer Mischung aus Ehrfurcht und feierlicher Größe angegangen, die „Kindergalerie“ voller Witz und Glanz. Das Spiel der Bläser unter der Leitung von Frank Strodel war wunderbar hell und schwungvoll. Exakt waren alle Einsätze, sowohl beim freudig-verspielten, als auch beim majestätischen Teil. In den letzten Takten imitierte das Ensemble so unglaublich gekonnt die Töne einer Orgel, dass man den Eindruck haben konnte, die immer einfallsreichen Musiklehrer hätten hinter der Bühne eine große Kirchenorgel versteckt.
Die Streicher der Oberstufe spielten drei Stücke von Bodin de Boismortier, Vivaldi und Schostakowitsch. Der ehemaliger Schüler und Musikstudent Alvar Ceamanos war kurzfristig als Dirigent eingesprungen. Er dirigierte äußerst präzise. Eine kleine Streichergruppe der tiefen Stimmen (Celli und Bratschen) spielten mit warmem Klang den Boismortier, die beiden Cellisten der 12. Klasse Linus Braun und Elena Nolde hatten die Soli beim Vivaldi sehr gut gemeistert.
Bert Brecht, der seine Kindheit und Jugend nur wenige Kilometer Luftlinie von der Waldorfschule entfernt  verbracht hat, ist der Autor des Librettos der Kantate „Die Mutter“, die Hanns Eisler komponiert hat. Aus diesem Revolutionsstück brachte der Chor mit Bläsersolisten und Schlagzeug die in manchen Momenten an Bach erinnernde „Grabrede“. Darin heißt es unter anderem “ Nicht einmal die auf ihn schossen
waren andere als er“. Vor 100 Jahren hatte die Revolution übrigens auch Augsburg erreicht – der Arbeiter- und Soldatenrat hatte im November 1918 im Rathaus die Macht übernommen. Dramatisch, eindringlich, auf grausame Weise sachlich brachten die Waldorfschüler diese Musik dar.

Obwohl Manuel Wiencke es entsprechend anmoderierte, wirkten die nun folgenden Populärmusikstücke aufgrund des Kontrastes fast zu heiter und beliebig. Die MR-Gruppe verabschiedete sich mit „Hey There Delila“, der Freiwilligenchor sang „Top of the World“, der Frauenchor „Last Christmas“ und der Männerchor das für manche Ohren schlimmste Weihnachtslied aller Zeiten, „In der Weihnachtsbäckerei“. Ein kleiner Trost für manche, die in den ersten Reihen saßen: die Schüler warfen Schoko-Weihnachtsmänner in die Menge.
Gewohnt feierlich endete das beeindruckende Konzert zur Weihnachtszeit: Von den Streichern begleitet wurde der Chor beim „Ave verum corpus“ von Mozart (Dirigent Manuel Wiencke) und Frank Strodel dirigierte den Höhepunkt des Abends, das von allen Ensembles der Oberstufe musizierte „Sanctus“ aus der Mass for Peace von Karl Jenkins kraftvoll, rhythmisch pulsierend…
Die Musiker bekamen viel Lob und Applaus. Ihren Lehrern Inna Auerswald, Hiltrud Kamolz, Sigrid Pröbstl, Frank Strodel und Manuel Wiencke sowie dem eingesprungenen Musikstudenten Alvar Ceamanos dankten die Schüler mit Blumensträußen. Die am Ausgang eingesammelten Spenden werden zum Einkauf von Musikinstrumenten für das Orchester genutzt.